Hölzerner Christus in Drchlava. Musik für eine zerstörte Kirche, die wieder zu atmen beginnt
Nur wenige Kilometer von Doksy entfernt liegt das unscheinbare Dorf Drchlava. Am Ortsende steht die Nikolauskirche aus dem 14. Jahrhundert. Wahrscheinlich waren Sie noch nie drin. Es gab keinen Grund. Seit Jahrzehnten ist die Kirche ausgeplündert und verlassen. Seit den 1960er Jahren wurden dort keine Gottesdienste mehr gefeiert, die Orgel und die Bänke wurden abtransportiert, später diente die Kirche als Lager für Autoreifen oder Obst. Schließlich stürzten Decke und Dach ein. Erst 2004 begannen die ersten Sanierungsarbeiten, 2015 wurde das Turmdach renoviert. Nun hat das Festival Lípa Musica beschlossen, die Bemühungen der Einheimischen zu unterstützen und die Kirche für einen Tag wiederzubeleben. Am Sonntag, dem 7. September, erklingen dort zwei geistig tiefgründige und emotional kraftvolle Werke: Liedzyklen von Johannes Brahms und Jan Hanuš.
Gerade Hanuš’ Komposition Der hölzerne Christus wird in der Drchlaver Kirche von außergewöhnlicher Wirkung sein. An einem ähnlichen Ort entstanden vor fast 70 Jahren die Gedichte von Kamil Bednář. Stellen Sie sich den Dichter vor, wie er nach dem Krieg einsam durch eine verwaiste Landschaft streift. Auf einem verlassenen Friedhof im Grenzgebiet findet er ein beschädigtes, zertretenes Holzkreuz. Er nimmt es mit nach Hause und hängt es an die Wand.
Unter dem Holzkreuz entstanden dann Gedichte, die über das Böse, das die Welt zerstört, ebenso meditieren wie über Vergebung und Gnade. Als Kamil Bednář diese Gedichte 1957 im Samisdat unter dem Untertitel Lieder zu einem in den Bergen gefundenen Kreuz veröffentlichte, vertonte Jan Hanuš sie im selben Jahr als sechsteiligen Zyklus für tiefere Stimme und Klavier. 1970 kehrte er zu dem Werk zurück und schuf eine Orchesterfassung. Doch keine der beiden Versionen wurde lange Zeit aufgeführt. Die Klavierfassung erlebte erst 1990 ihre Uraufführung, die orchestrale fünf Jahre später.
In Drchlava wird dieses außergewöhnliche Werk von dem renommierten Bassisten und Solisten der Nationaltheater-Oper Pavel Švingr zu Gehör gebracht, begleitet am Klavier von Zdeněk Klauda.
„Zum ersten Mal bin ich diesem Werk während meines Studiums an der Musikakademie begegnet, als mir mein Gesangsprofessor Ivan Kusnjer die Noten brachte“, erinnert sich Pavel Švingr. „Damals beschäftigte ich mich vor allem mit den technischen Herausforderungen – der Zyklus verlangt vom Sänger extreme Intonationssicherheit, großen Stimmumfang und enorme Dynamik. Mit der Zeit und den Lebenserfahrungen begann ich jedoch, seine wahre Tiefe zu entdecken. Jede weitere Interpretation führt mich weiter – oder eher tiefer. Es ist ein Meisterwerk, in dem sich die drastischen Erfahrungen beider Autoren aus dem Zweiten Weltkrieg widerspiegeln. Ich denke, gerade der Raum der Kirche in Drchlava ist für ein so rohes, tragisches und kompaktes Werk ideal.“
Zur Atmosphäre des Konzerts wird auch die szenische Gestaltung der Malerin und Bildhauerin Martina Chloupa beitragen, deren Werke die diesjährige visuelle Identität des gesamten Festivals prägen. Chloupa arbeitet sensibel mit Raum und Material – und gerade ihr Eingreifen kann den Kirchenraum in ein kraftvolles künstlerisches Statement verwandeln.
„Der mächtige Bass von Švingr und der Kontrast des glänzenden Konzertflügels mitten in den leeren, beschmierten Kirchenwänden lösen schon bei der bloßen Vorstellung Gänsehaut aus. Vom Hölzernen Christus wird gesagt, dass darin Worte und Musik regelrecht verschmolzen seien. In Drchlava überzeugen wird uns, wie sie auch mit dem Raum verschmelzen können“, lädt Festivaldirektor Martin Prokeš ein.
Das Konzert in Drchlava ist nicht einfach eine weitere Festivalstation. Es ist vor allem ein Akt der Wiederbelebung der Erinnerung des Ortes, die Rückkehr von Schönheit und Sinn dorthin, wo lange nur Stille und Verfall herrschten. Damit das Konzert jedoch stattfinden konnte, stand uns noch eine große Herausforderung bevor. Der Ort musste aufgeräumt und vorbereitet werden. Wir baten unsere Partner und Mäzene um Hilfe, und sie sagten begeistert zu. Am Freitag, dem 8. August, versammelten wir uns an der Kirche in einer bunt gemischten Gruppe – darunter Ärzte, Ingenieure und eine Pianistin – und verbrachten einen Tag zusammen, an dem sich der Ort bis zur Unkenntlichkeit verwandelte.
Wir reinigten die Treppen zur Kirche, mähten das Gelände um sie und die Grabsteine an der Kirchenmauer. Die meiste Arbeit wartete jedoch im Inneren – wir kehrten den Boden und verlegten fehlende Fliesen, damit im September der glänzende Konzertflügel von Bechstein hierhergebracht werden kann.
„Es war zwar Arbeit, für viele aber eher Meditation. Wir sind froh, dass wir rund um das Festival eine so großartige Gemeinschaft von Menschen haben, die nicht zögern, mit anzupacken“, schließt Prokeš.
Foto: Lípa Musica / Jakub Mencl